Polizistenspaß im Rechtsstaat – oder: das Führen von Angriffskrieg ist im Rechtsstaat Deutschland legal, nur die Vorbereitung von Angriffskriegen mit deutscher Beteiligung steht unter Strafe

Vorgestern war ja bekanntlich die Demo “Freiheit statt Angst” in Berlin, wo weit mehr als 10.000 Menschen für Bürgerrechte demonstriert haben. Die herrschende Gewalt aufzufordern, das Grundgesetz zu beachten, ist schon eine Provokation, wie sie schlimmer kaum sein könnte. Schließlich weiß doch jeder einigermaßen gebildete Mensch, dass Deutschland kein Bürgerrechtsstaat, sondern ein Rechtsstaat ist und das Grundgesetz von den Fürsten der deutschen Demokratie urspünglich mal als euphemistischer Witz gedacht war.

Was bilden diese Demonstranten sich eigentlich ein? Die Menschenwürde ist unantastbar. Pah! Jeder Trupp von Polizisten, der dem Pack mit Genuss die Fresse poliert, weiß, dass das Quatsch ist. Ein paar übereinstimmende Zeugenaussagen unter Kollegen, und die Justiz freut sich, dem Pack anschließend noch ein Ding wegen “Widerstand” oder “Beleidigung” reinzuwürgen. Klar versteht jeder, dass die Kollegen sich absprechen und lügen wie Münchhausen, aber wie soll das auch anders gehen? Es muss doch jedem klar sein, dass die ganze staatliche Ordnung in Deutschland auf dem simplen Prinzip beruht, dass die Staatsgewalt immer Recht hat.

Wo käme man denn dahin, wenn die deutsche Staatsgewalt sich an das Grundgesetz halten müsste? Als nächstes fordern solche Demonstranten womöglich noch, dass die Staatsanwaltschaften nicht an die Weisungen der Politik gebunden sein sollten oder gar so unverantwortliches Zeugs wie Gewaltenteilung. Dann müssten Politiker sich demnächst wohl noch für so alltägliche Dinge wie Untreue oder dem Führen von Angriffskriegen vor Gericht verantworten. Also das geht ja schon mal gar nicht.

Lange sah es so aus, als würde die provozierende Fröhlichkeit der Demonstranten ein einseitiges Vergnügen bleiben. Die Demonstranten boten den sie begleitenden Polizisten überhaupt keinen Ansatzpunkt, um auch auf ihre Kosten zu kommen. Wenn die Polizei fröhlichen und völlig friedlichen Leuten so ganz ohne irgendeinen Anlass die Fresse poliert, sieht das immer ein bisschen blöd aus. Doch dann gegen Ende, endlich – ein Schwerverbrechen: unerlaubtes Betreten einer öffentlichen Wiese. Und dazu noch ein Provokateur in einem Lautsprecherwagen, der Blödsinn erzählt. Das war dann die Gelegenheit, dem demonstrierenden Pack endlich die Fresse zu polieren.

Also wurde gleich erstmal wer einkassiert und dabei gut zugelangt, sonst lernen die es nie, was der Begriff Rechtsstaat wirklich bedeutet. Aber dann war da dieser Hänfling in einem hässlich blauen T-Shirt. Der hat sich danach hingestellt, hat sich Notizen gemacht, faselte was von Anzeige und wollte Dienstnummern von Polizisten wissen. So weit kommt’s noch. Wer hat schon Lust auf so’n Scheiß Papierkram. Und fast wäre er dann auch noch entwischt. Wo die Kollegen alle rumgebrüllt haben, dass alle von der Straße wegsollten, ist der mit seinem Farhrad und dem Kugelschreiber in der Hand einfach auf den Bürgersteig. Aber auf die falsche Seite! Erst will dieser Mann Dienstnummern aufschreiben und dann hat er auch noch das Verbrechen begangen, einen anderen als den ihm vorgeschriebenen Gehweg zu nutzen!

Aber dann kam der Kollege “Grinsekönig” von der Brigade 2212. Das ist wenigstens ein richtiger Mann, nicht so’n Hänfling. Der bringt sicher fast das doppelte Kampfgewicht auf die Waage. Und dann packt der den Hänfling an seinem hässlichen blauen T-Shirt, grinst sich eins und schleift ihn zu seinem Kollegen auf die Straße. Auch ein richtiger Kerl von der 2212. Wo sein Kollege “Grinsekönig” den Hänfling so prima festhält, fackelt der nicht lange und gibt ihm gleich richtig einen mit: mit voller Wucht auf die Zwölf. Da hat der Hänfling in dem blauen T-Shirt echt Glück gehabt. Bei dem vortrefflichen Pfund eines Schwergewichtsboxers, was der Kollege ausgepackt hat, hätte der Hänfling da auch drauf gehen können. Aber der soll es sich nochmal wagen, nach Dienstnummern zu fragen. Klar, der wurde dann auch mitgenommen. Für ein Verfahren wegen Widerstand und Beleidigung finden sich bestimmt zehn Kollegen als Zeugen. Da halten die Kollegen zusammen wie Pech und Schwefel.

Und wo der Kollege so gut in Fahrt war, da hat er dem nächsten Hänfling, der da rumstand, auch gleich zwei anständige Dinger mitgegeben. So wird das gemacht. Kurze Serie in zwei Sekunden: Bam bam bam, drei Schläge, zwei Hänflinge kaputt. So macht das Polizistenleben Spaß. Was steht dieses Pack da auch auf der Straße rum. Und dann auch noch in so einem hässlichen Shirt mit gestreiften Ärmeln. Tja, so ist das Leben, das hat er nun davon: die Fresse richtig blutig geschlagen. Und damit er nicht vergisst, was der Begriff Rechtsstaat in Deutschland bedeutet, kriegt er auch noch ein Verfahren an die Backe. Ist ja auch logisch. Bei den Kollegen heißt dumm im Weg rumstehen und einmal richtig die Fresse poliert bekommen nun mal “Versuchte Gefangenenbefreiung”.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt’s bei dem Spaß jedoch. Die Kollegen der Kollegen von der 2212 haben völlig falsch reagiert. Vor lauter Spaß haben die die simpelsten Grundregeln, die jeder Polizeischüler im ersten Lehrjahr lernt, vergessen. Wo haben die diesmal nur ihren Kopf gehabt? Blickdicht, sage ich nur! Wenn die Kollegen jemanden mitten in einer Menschenmenge anständig die Fresse polieren, dann müssen die Kollegen der Kollgen sich natürlich alle davorstellen und den Ort des Geschehens blickdicht absperren.

Sonst kann es hinterher jede Menge blöden Schreibkram geben und das will ja nun wirklich keiner. Und da haben wir den Salat: irgendwer von diesem Pack hat mit der Kamera direkt draufgehalten und schon steht es im Internet. Natürlich steht die Polizeiführung trotzdem hinter ihren Leuten. Klar, denn wäre das nicht gewollt, so würde es schon lange eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten geben. Und so hat die Polizeiführung erstmal eine Presseerklärung rausgegeben, wo sie voll dreist gelogen haben, der Hänfling in dem blauen T-Shirt, der die Dienstnummern wollte, wäre schuld, weil er nicht schnell genug abgehauen sei und der andere Hänfling mit den gestreiften Armeln, dem der Kollege die Fresse poliert hat, weil er da dumm rumgestanden hat, hätte eine Gefangenenbefreiung versucht. Also alles Routine, der Rechtsstaat funktioniert wie gewohnt.

Der Kollege hat echt einen super Bums in der Faust. Nur der Schreibkram ist nervig. Wegen dem blöden Video hat die Polizeiführung nun sogar eine Akte wegen Körperverletzung im Amt aufmachen müssen. Aber was soll’s, dann muss das die Justiz eben in einem halben Jahr wieder einstellen. So Kollegen wie die von der 2212 werden schließlich gebraucht.

Und die Bevölkerung steht auch voll dahinter. Wer das nicht glaubt, der soll mal schauen, was bei der Bundestagswahl rauskommt: das Stimmvieh wählt seine Metzger gerne. Das ist genauso guter Brauch in Deutschland wie dass Polizisten ihren Spaß haben. Da wird sich nichts ändern. Wie auch: würden Wahlen zu einem Linksstaat führen, würde man das Wählen einfach verbieten. Deutschland ist schließlich ein Rechtsstaat.

Quelle:

Mein Parteibuch, 14. September 2009: Polizistenspaß im Rechtsstaat