Schon über ein Jahr Krieg gegen Jemen

Der saudisch-geführte Krieg gegen den Jemen geht nun mittlerweile schon über ein Jahr. Doch immer noch wird mit einem falschen Narrativ verschleiert, wer da gegen wen weshalb Krieg führt, und auch die alternativen Medien und die russischen Medien sind leider keine große Hilfe dabei, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Das falsche Narrativ lautet etwa, dass die saudisch geführte Kriegskoalition der vom demokratisch gewählten Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi geführten jemenitischen Armee und Hadi gegenüber loyalen Bürgerwehren dabei hilft, die Macht von der von einigen Ex-Präsident Ali Saleh gegenüber loyalen Armeeeinheiten unterstützten iranischen Proxy-Miliz der Houthis zurückzuerlangen und damit im Einklang mit dem Völkerrecht und dem Wunsch des jemenitischen Volkes entsprechend die Herrschaft des aus Angst vor unterstützten schiitischen Milizen nach Saudi Arabien geflüchteten legitimen sunnitischen jemenitischen Präsidenten Hadi über den Jemen wiederherzustellen.

Die Wahrheit ist, dass die auch von westlichen Staaten unterstützte saudisch-geführte Koalition Krieg gegen die von westlichen Staaten für den Kampf gegen die Terrorgruppe Al Kaida ausgerüsteten und von Milizionären der liberalen Bürgerbewegung Ansaruallah unterstützten jemenitischen Streitkräfte führt. Ziel des saudischen Krieges gegen den Jemen war es, unter anderem von Saudi Arabien unterstützte bewaffnete Banden von Muslimbrüdern, Separatisten, Stammeskämpfern, Gangstern und Al-Kaida-Terroristen sowie ihre von Saudi Arabien unterstützten jemenitischen politischen Paten, allen voran Hadi, vor der sich abzeichnenden vollständigen militärischen und politischen Niederlage zu bewahren und sie stattdessen zum Sieg über die jemenitische Armee zu führen, um damit die Fortdauer der saudisch-wahhabitischen Vorherrschaft über den Jemen sicherzustellen. Weiterhin ist es so, dass Abd Rabbuh Mansur Hadi, der im Zuge des bewaffneten Umsturzes 2012 in einer von Saudi Arabien durchgesetzten Einkandidatenwahl in das Amt eines Übergangspräsidenten gekommene und Anfang 2015 von diesem Amt zurückgetretene langjährige Stellvertreter von Ali Saleh, im Jemen praktisch keinerlei Unterstützung hat, weder in der Bevölkerung, noch in der Armee und auch nicht bei den bewaffneten Banden, die von Saudi Arabien unterstützt gegen die jemenitischen Streitkräfte kämpfen.

Dabei ist die Wahrheit hinter dem saudischen Propagandanebel eigentlich nicht sonderlich schwer zu erkennen, wenn man die richtigen Fragen stellt. Hier sind ein paar Beispiele für solche Fragen und ehrlichen Antworten dazu:

Wie ist das Kräfteverhältnis zwischen den jemenitischen Streitkräften und Houthi-Milizen? Die jemenitischen Streitkräfte sind sowohl von der Personalstärke als auch von der Ausrüstung her den Houthi-Milizen haushoch überlegen.

Welche Einheiten der jemenitischen Streitkräfte kämpfen gegen die Houthi-Milizen? Keine.

Gab es im Süden und Osten des Jemen jemals eine Präsenz der Houthi-Milizen? Nein.

Welche bewaffneten Kräfte hat die saudisch geführte Koalition im Süden und Osten des Jemen bombardiert? Abgesehen davon, dass die Saudis den Jemen so wahllos zu bombardieren scheinen, dass sie dabei sehr oft, ob absichtlich oder nicht, sei dahingestellt, die Zivilbevölkerung treffen, bombardiert die saudisch geführte Koalition neben den Milizen von Ansarullah vornehmlich jemenitische Armee-Einheiten aller Art. Dass die saudische Koalition insbesondere gegen Al Kaida kämpfende Einheiten der jemenitischen Streitkräfte bombardiert, war vor der saudisch geführten Invasion von Aden vor Allem im Süden des Jemen auffällig, wo es nie Houthi-Milizen gab, sondern nur im Kampf gegen Al Kaida stehende Einheiten der jemenitischen Streitkräfte. Erst nachdem die jemenitischen Streitkräfte sich deshalb aus dem Süden des Landes zurückziehen mussten und die saudischen Invasionstruppen in Aden und Umgebung selbst in Konflikt mit Al Kaida geraten sind, bombardiert die saudisch geführte Kriegskoalition auch Al Kaida im Jemen.

Welche Einheiten der jemenitischen Streitkräfte kämpfen gegen die saudische Koalition? Alle, und zwar sowohl die insbesondere für den Kampf gegen Al Kaida aufgestellten paramilitärischen Kräfte des Innenministeriums als auch die jemenitischen Streitkräfte, mit Ausnahme einiger von Terroristen umzingelten Einheiten im dünn besiedelten Osten des Jemen, die sich weitgehend für neutral erklärt haben.

Wer ist Kommandeur der jemenitischen Streitkräfte? Vorsitzender des von Ansarullah geschaffenen Obersten Sicherheitsrates und Kommandeur aller jemenitischen Streitkräfte, einschließlich der paramilitärischen Kräfte des Innenministeriums, ist der noch von Hadi ernannte und nicht zu Ansarullah gehörende Innenminister Generalmajor Jalal Al Rowaishan, der damit defacto Staatschef des Jemen ist.

Was ist die stärkste politische Kraft des Jemen, die hinter dem Obersten Sicherheitsrat, den Streitkräften und Ansarullah steht? Es ist die größte Partei Jemens, der Allgemeine Volkskongress, unter dem Ehrenvorsitz von Ex-Präsident Ali Saleh, aus der sein langjähriger Stellvertreter Hadi wegen Verrats ausgeschlossen wurde.

Was schweißt die aus den Houthis und ihren Anhängern hervorgegangene Bewegung Ansarullah, die Streitkräfte und den allgemeinen Volkskongress (GPC) zusammen? Es ist der gemeinsame Kampf für eine der mehr als tausendjährigen jemenitischen Tradition entsprechende liberale, pluralistische und friedliche Gesellschaft, in der der sich von Saudi Arabien ausbreitende wahhabitische Extremismus und insbesondere Terroristen wie Al Kaida und ISIS keinen Platz haben.

Wie ist das Verhältnis von GPC und Ex-Präsident Ali Saleh zum Iran? Traditionell schlecht. Ali Saleh und die von ihm geführte Partei GPC stand immer auf der Seite von den USA, während der Iran in Opposition zu den USA stand.

Wie ist das Verhältnis zwischen den Houthis und dem Iran? Der Iran sympathisiert mit den Houthis und den Houthis sympathisiert mit Iran und der Achse des Widerstandes, weil sie über Jahre hinweg Widerstand gegen die gleichen geopolitischen Gegner leisteten, nämlich die USA und eng mit den USA verflochtene Kräfte wie zionistische und wahhabitische Extremisten, sowie ihre Lakaien. Nach dem Sturz der saudischen Marionette Ali Mohsen in Sanaa wurden bis zum Beginn des saudisch geführten Krieges gegen den Jemen Flugverbindungen zwischen Sanaa und dem Iran aufgenommen, und Iran lieferte auch humanitäre Hilfe. Es gab Jahre zuvor bereits Besuche zum Austausch in politischen und theologischen Fragen, die wahrscheinlich auch auf einen Austausch in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit und militärisches Know-How im Widerstandskampf, insbesondere mit der sehr erfolgreichen libanesischen Widerstandsorganisation Hisbollah, ausgedehnt wurden. Die Houthis und Ansarullah sind allerdings mitnichten iranische Proxy-Kräfte, die etwa in Bezug auf Waffen oder Personal von Iran oder anderen, oft schiitisch geprägten, Kräften der Achse des Widerstandes abhängig wären. Ansarullah verfolg im Gegenteil klar eine eigene Agenda, nämlich die Befreiung des Jemens von der US-zionistisch-wahhabitischen Vorherrschaft. Über reichlich kampfbereite Anhänger verfügt Ansarullah dabei selbst und Waffen gibt es im Jemen mehr als reichlich. Ihre jüngst gewonnene Stärke verdanken Ansarullah nicht dem Iran, sondern ihren inzwischen hervorragenden Beziehungen zu den jemenitischen Streitkräften und zum GPC.

Wie ist das Verhältnis zwischen den beiden wesentlichen Zweigen der Religion im Jemen, dem schiitischen Zaiditentum und dem sunnitischen Schafitentum? Das Verhältnis ist ausgesprochen eng, die beiden Glaubensrichtungen stehen sich nicht nur theologisch traditionell sehr nahe, sondern die Gläubigen beten auch in den gleichen Moscheen und besuchen gemeinsam die gleichen Gottesdienste, was der vom wahhabitischen saudischen Regime mit viel Geld und Waffen unterstützten Minderheit intoleranter Wahhabiten ein Dorn im Auge ist.

Warum gelingt es der saudisch geführten Kriegskoalition trotz ihrer weit überlegenen Bewaffnung und Finanzkraft nicht, die jemenitische Hauptstadt Sanaa und andere große Teile des Landes zu erobern? Weil die jemenitischen Streitkräfte und Ansarullah von sehr großen Teilen der zumeist bewaffneten Bevölkerung unterstützt werden, und zwar gleich ob sie sich von der Religion her zum Zaiditentum oder zum Schafitentum bekennen.

Warum unterstützen sehr große Teile der Bevölkerung des Jemen die Streitkräfte und Ansarullah im Kampf gegen die saudisch geführte Kriegskoalition? Weil sie den von Saudi Arabien ausgehenden wahhabitischen Extremismus, den von Saudi Arabien unterstützten blutigen Terror von Al Kaida und ISIS und das von Saudi Arabien unterstützte Gemisch aus politisch-militärischer Korruption, organisierter Kriminalität, sektiererischen Muslimbrüdern und wahhabitischem Terror, wie es etwa in der „Iman-Universität“ in Sanaa überdeutlich geworden ist, partout nicht mehr wollen.

Warum ist die Unterstützung für die von Jalal Al Rowaishan geführte Regierung in Sanaa im Osten und Süden des Jemen geringer als im Nordwesten? Aufgrund des weitegehenden Fehlens zaiditischer Bevölkerungsteile im Osten und im Süden konnte der von den Saudis mit viel Geld und Waffen verbreitete wahhabitische Extremismus dort in den letzten Jahrzehnten besser Fuß fassen als im Nordwesten, was durch den Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südjemen in den 90er Jahren noch verstärkt wurde.

Warum sitzt der sich selbst als legitimer Machthaber im Jemen betrachtende Präsident Hadi immer noch im Exil in Saudi Arabien und nicht im Südjemen, obwohl es aufgrund des saudisch geführten Krieges im Süden und Osten Jemens keine Kräfte der Regierung in Sanaa mehr gibt? Hadi hat Angst, sich im Südjemen niederzulassen, weil die von der saudischen Kriegskoalition unterstützten bewaffneten Banden, die in den westlichen Medien regelmäßig als Präsident Hadi gegenüber loyale Milizen bezeichnet werden, ihm in Wirklichkeit genauso feindlich wie der Regierung in Sanaa gegenüberstehen, und er befürchtet, dass sie ihn umbringen.

Welche Auswirkungen hatte der saudisch geführte Krieg gegen den Jemen bisher, abgesehen von der durch diesen Krieg verursachten humanitären Katastrophe? Im Süden und Osten Jemens sind bewaffnete Banden unter Führung von Al Kaida zur dominanten Kraft geworden und im Nordwesten des Jemens ist die Geschlossenheit und Entschiedenheit der Ablehnung Saudi Arabiens durch die jemenitische Bevölkerung aufgrund der unzähligen saudischen Kriegsverbrechen gestiegen.

Immer noch lesenswert und hochaktuell, möglicherweise aktueller als je zuvor, ist die im letzten Frühjahr zum Hintergrund des Krieges erschienene dreiteilige Parteibuch-Serie: „Wer kämpft gegen wen im Jemen?“ Teil 1Teil 2Teil 3.

Hin und wieder sind Stückchen der Wahrheit über den Krieg gegen den Jemen auch in westlichen Medien durchgesickert, freilich ohne dass die westlichen Massenmedien die von ihnen selbst berichteten Tatsachen zum Anlass genommen hätten, ihr zum Zweck der Propaganda vorsätzlich verbreitetes falsches Narrativ zu ändern.

4 Gedanken zu “Schon über ein Jahr Krieg gegen Jemen

  1. Unter den Bedingungen ständiger Bombardemangs der Saudis kam es im Jemen zu einer Feierlichen eröffnung der Initiative ,Frieden durch Entwicklung,The New Silc Road Becomes the World Landbridge in Arabischer übersetzung wurde durch Initiative eines Jemenitischen Poeten vorgestellt.

    Hussein Askary then presented the EIR Special Report, the New Silk Road Becomes the World Land-Bridge, in its Arabic translation, noting that at the time he was speaking, the same Arabic report was being presented in Yemen, under conditions of continued Saudi airstrikes on Yemeni cities. The idea of the New Silk Road is more than just building a few roads and railroads, he said, it is a concept of development corridors which would also improve the living conditions of some 450 million people in the Southwest Asia region, with Syria being at the center. This involves mega-projects of rapid development, which should be financed by national development banks not strapped with debts to the Western monetarist institutions. Askary also gave a fascinating account of what is happening in Egypt today, where the World Land-Bridge report had been enthusiastically received the previous week.
    http://news.eirna.com/903241/eir-seminar-in-frankfurt-on-march-23-2016-solving-the-economic-and-refugee-crises-with-the-new-silk-road

  2. Danke für den Beitrag. Dieser Krieg gegen unschuldige Zivilisten darf nicht im Hintergrund geraten. Ach in was für eine verf… Welt wir doch leben…

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